Atypischer klinischer Phänotyp in einer Familie mit SPG4

K. Bürk, D. Bönsch, S. Klimpe und T. Deufel

Tübingen und Jena

 

Die SPG4, die häufigste aller autosomal dominant vererbten HSP, soll in den meisten Fällen mit einem unkomplizierten Phänotyp einhergehen. In einer deutschen Familie mit molekulargenetisch gesicherter SPG4 fanden sich Hinweise für komplexe neurologische Symptome, die bislang nicht in Zusammenhang mit der SPG4 beschrieben wurden. So waren mehrere Patienten aus insgesamt vier Generationen von einer autosomal dominant vererbten Retinadegeneration betroffen. Diese Erkrankung kosegregierte nicht mit der SPG4. Im Falle eines männlichen Patienten mit generalisierter Muskelschwäche seit der Kindheit konnte molekulargenetisch eine Muskeldystrophie vom Typ Duchenne gesichert werden. Zwei Patienten mit schwerer Paraspastik zeigten zusätzlich eine cerebelläre Symptomatik, die sehr wahrscheinlich auf eine chronische Alhoholabhängigkeit zurückzuführen ist. Hinweise für langjährige kognitive Einbußen, die zu Problemen im täglichen Leben geführt hatten, fanden sich bei einem Patienten ohne und zwei Patienten mit HSP. Sichere HSP-Fälle unterschieden sich in ihrer klinischen Ausprägung nicht von dem in der Literatur beschriebenen Phänotyp. Zwei Patienten, die aufgrund der neurologischen Untersuchungsbefunde als erkrankt eingestuft wurden, fühlten sich subjektiv nicht beeinträchtigt. Das mittlere Alter zum Untersuchungszeitpunkt war 40 ± 19 Jahre (17 - 60 Jahre), das mittlere Erkrankungsalter lag bei 35 ± 15 Jahre (12 - 60 Jahre) und die Erkrankungsdauer bei 6 ± 6 Jahren (0 - 15 Jahre). In einem Fall bot sich ein HMSN-ähnliches Bild mit verlangsamten Nervenleitgeschwindigkeiten, Tiefensensibilitätsstörungen und schweren, distal betonten atrophischen Paresen ohne begleitende Pyramidenbahnzeichen.